Deutschland sei kein Vitaminmangelland

Sagt jedenfalls die DGE (1). Wer den ganzen Text liest, findet dann allerdings viele Ausnahmen. Und wenn man Bevölkerungsgruppen mit Beschwerden oder in bestimmten Situationen nimmt, dann findet man noch sehr viel mehr Ausnahmen.
Autor: Dr. Volker Zitzmann
Lesezeit: 5 Minuten
Sagt jedenfalls die DGE (1). Wer den ganzen Text liest, findet dann allerdings viele Ausnahmen. Und wenn man Bevölkerungsgruppen mit Beschwerden oder in bestimmten Situationen nimmt, dann findet man noch sehr viel mehr Ausnahmen. Liest man also nur die Überschrift, ist die Aussage glatt falsch. Selbst die DGE beschreibt im selben Atemzug viele Ausnahmen.
Vitamin D Mangel ist am häufigsten. Gibt sogar die DGE zu. Vitamin D ist notwendig. Wer nicht genug an der Sonne ist, braucht Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel. Und die meisten Menschen sind nicht genug an der Sonne. Haben wir in Deutschland auch nicht genug von. Geht vor allem im Winter gar nicht. Müssen wir also substituieren. Hat lange gedauert bis die DGE das zugegeben hat. Wer uns schon lange verfolgt, weiß, dass wir das schon vor über 7 Jahren gesagt haben. Mal sehen wie lange die DGE noch die anderen Vitamine leugnen kann. Irgendwann nimmt die Wissenschaft einfach überhand und auch die DGE kann sich dann der Wahrheit nicht widersetzen.
Vitamin B Mangel, insbesondere B12, ist ebenfalls sehr häufig (2,3). Vor allem bei der zunehmenden Zahl an "wenig-Fleisch-Essern" und Vegetariern/Veganern. Messe ich sehr häufig in meiner Praxis. Mangel ist sehr verbreitet. Erhöht das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und insbesondere für Schlaganfälle. Macht Nervenprobleme, Kribbeln, Brennen der Füsse, etc. Es kommen zunehmend mehr Patienten mit diesen Beschwerden. Müdigkeit, Kribbeln/Taubheit in Händen und Füssen: extrem häufig in der täglichen Praxis. Misst man dann Vitamin B12 oder Homocystein: Bingo. Hat man häufig schon die Ursache gefunden.
Zum Vitamin B Komplex gehört auch die Folsäure (Vitamin B9). Sagt sogar die DGE, dass Frauen, die schwanger werden wollen, dies substituieren sollen. Verhindert schwere Fehlbildungen beim Neugeborenen. Wenigstens an die wird gedacht. Dass Folsäure aber auch bekanntermaßen das Schlaganfallrisiko senkt, ist der DGE wohl egal. Warum nur?  Ist aber immerhin an 200.000.000 Menschen bewiesen worden, nachdem in den USA und Kanada seit dem 01.01.1998 eine generelle Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit Folsäure gesetzlich vorgeschrieben ist, hat sich das Schlaganfallrisiko signifikant vermindert. (4) Einen größeren Beweis als 200 Millionen Menschen ist kaum zu erbringen.
Nicht alle haben in Deutschland einen Vitamin B12 Mangel. Nicht alle haben einen Vitamin D Mangel. Manche haben nur einen Mangel an Zink. Oder an Selen. Oder, oder, oder. Es gibt 47 essentielle Stoffe in der Nahrung, die wir zum Gesundbleiben brauchen. Fehlt nur einer, kann dies Krankheiten, Beschwerden oder einfach nur Leistungsschwäche, Gewichtszunahme, schlechte Stimmung, u.v.m. verursachen. Jeder der 47 Mikronährstoffe ist wichtig. Jeder Mensch ernährt sich anders, jeder individuell. Auch wenn es keinen einzelnen Mikronährstoff gibt, an dem alle Deutschen Mangel leiden, so leiden doch sehr viele an einem oder multiplen Mängeln der 47 essentiellen Stoffe.
Somit ist die Aussage in der Überschrift vielleicht nicht ganz falsch. Impliziert aber demjenigen, der unsere News nicht verfolgt und nicht genau hinterfragt, genau das Falsche. Gibt ihm also die falsche Sicherheit, er wäre mit allen Mikronährstoffen gut versorgt. Dass dem nicht so ist, ist uns ja nun klar.
Die Grundaussage in der Überschrift bedeutet nur, dass es nicht den einen Mikronährstoff gibt, der in Deutschland zu wenig vorhanden ist (außer Vitamin D und nach meiner Meinung auch Vitamin C). Trotzdem hat fast jeder Einzelne hier und da einen Mangel und kann seine Gesundheit deutlich verbessern, wenn er diesen Mangel ausgleicht. Das zu unterscheiden, lässt einen diese Aussage, welche vorallem auch politisch ist, besser verstehen. Die Masse hat keinen speziellen Mangel an einem bestimmten Nährstoff. Aber in der Politik zählt die Gesamtheit, nicht der Einzelne. So funktioniert das leider nun mal.
Statistisch gesehen, im Mittel, ernährt sich die deutsche Gesamtbevölkerung wohl ganz ordentlich. Da sieht es in armen, dritte Welt Ländern ganz anders aus. Wenn man sich also perfekt ausgewogen frisch ernährt, jeden Tag, auch noch täglich mit unbedeckter Haut an die Sonne geht, dann kann man theoretisch mit allen Mikronährstoffen ausreichend versorgt sein. Muss man drinnen arbeiten, hat man spezielle Nahrungsvorlieben (vegetarisch/vegan/Allergien) oder sonst nur eine Kleinigkeit anders, dann ist man eben nicht ausreichend versorgt. Wer viel Sport macht, was hier ja hoffentlich alle tun, hat einen höheren Verbrauch an Mikronährstoffen (und Eiweiß). Ich zumindest. Und ich persönlich kenne keinen, der der perfekte Durchschnittsbürger ist und alles genauso macht. Daher würde ich mal behaupten, dass fast jeder einen Mangel irgendwo hat, irgendwo zwischen diesen 47 essentiellen Stoffen. Und wer meint er hätte das nicht, ohne Nahrungsergänzungsmittel, der soll das mal im Labor messen lassen (alle 47) und mir das alle Werte im perfekten Bereich vorlegen. Den besuche ich persönlich, egal wo er wohnt, ich fahre dahin und gratuliere dieser Person, persönlich, in echt. Und wenn das so viele wären, könnte ich das hier nicht so einfach versprechen. Sonst wäre ich im nächsten Jahr nur noch im Auto in Deutschland unterwegs.
Fazit: Deutschland ist kein Vitaminmangelland. Trotzdem haben viele Deutsche den ein oder anderen Mikronährstoffmangel. Diese Aussagen widersprechen sich nicht. Ich hoffe das konnte ich einigermaßen verdeutlichen.
(1) https://www.dge.de/presse/pm/deutschland-ist-kein-vitaminmangelland/ (2) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4145307/#B47-nutrients-06-03259 (3) http://jn.nutrition.org/content/134/12/3319.long (4) Circulation. 2006 Mar 14;113(10):1335-43.Improvement in stroke mortality in Canada and the United States, 1990 to 2002.Yang Q1, Botto LD, Erickson JD, Berry RJ, Sambell C, Johansen H, Friedman JM. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16534029