Hokuspokus-Diäten

Was haben hunderte von Diätprogrammen gemeinsam? Warum wird mit Ernährungsbüchern viel Schindluder getrieben? Was sind die Basics und worauf kommt es wirklich an?
Autor: Dr. Volker Zitzmann
Lesezeit: 7 Minuten
Heute muss ich mal etwas lästern. Aber das darf ich doch auch mal. Über diesen ganzen Ernährungs-Hokuspokus in den Medien. Seit ich denken kann, gibt es immer wieder „neue“ Superdiäten und Supertipps zum Abnehmen. Und es scheint auch heutzutage nicht aufzuhören. Vieles ist kompletter Humbug. Viele funktionieren oft aber auch, weil sie einfach die biochemischen Grundlagen unseres Stoffwechsels korrekt nutzen. Aber es ist immer dasselbe. Unser Stoffwechsel hat sich über Millionen von Jahren genetisch angepasst und schon lange nicht mehr verändert. Sie kennen die Biochemie. Haben wir in vielen Artikeln wieder und wieder beschrieben(
z.B. hier
). Zuviel Kohlenhydrate, Zucker und insbesondere Fruktose machen Leberverfettung, hohe Blutfette, Insulinresistenz (kurz metabolisches Syndrom) und führen dadurch zu Übergewicht. Eiweiß ist der Baustein für unsere Muskeln, Enzyme, Leberzellen und ALLES andere in unserem Körper. Ohne Eiweiß kein guter Stoffwechsel.  Ohne Eiweiß kein gesunder, muskulöser, fettarmer Körper. Kurz, man kann alle unten angesprochenen, erfolgreichen Diäten auf Kohlenhydratreduktion und viel Eiweißaufnahme (+ Ballaststoffe=Gemüse) reduzieren. Diese grundlegende Biochemie und Naturgesetze lassen sich nicht verändern und vor allem nicht neu erfinden. Auch wir haben nichts „erfunden“. Wir beschreiben und geben nur die Informationen weiter, die Tausende von Wissenschaftlern die letzten hundert Jahre durch mühsame Arbeit herausgefunden haben.
Trotzdem gibt es immer wieder ohne Ende profitgierige Menschen die das Rad jeden Tag neu „erfinden“.  Hier eine kleine Auswahl:
  • 21 Tage Stoffwechsel Kur: nichts anderes als das Leberfasten. 3 Wochen nur Eiweißshakes und Vitamine. Sonst nix. Dafür muss man nicht das teure „neu erfundene“ Wundertütchen kaufen. Man braucht auch keine HokuspokusWunderkügelchen dazu, damit es funktioniert. Es tut jeder Eiweißshake und eine gute Vitaminkombination (einfach Google fragen)
  • Schlank durch Schlafen: wieder das selbe Prinzip, abends keine Kohlenhydrate. Also Kohlenhydrate reduzieren und Eiweiß erhöhen. Inhaltlich völlig korrekt, keine Frage, funkioniert.
  • Dukan Diät: absolut nichts anderes; mehr Eiweiß (mageres Fleisch), weniger Kohlenhydrate
  • Metabolisches Gleichgewicht und ähnliches: der Ernährungsplan wird anhand von Blutwerten „individuell“ ausgestellt: am Ende dasselbe wie immer, Fisch, Fleisch, Gemüse, also mehr Eiweiß, weniger Kohlenhydrate. Anhand der Blutwerte wird dann aber gesagt, welches Gemüse und welches Fleisch. Hilft dem Geldbeutel der Betreiber, aber wissenschaftlich nicht haltbar. Die Diät funktioniert, aber egal welches Gemüse man isst, die Blutwerte können nicht unterscheiden ob einem Broccoli oder Blumenkohl besser hilft. Es wirkt aber vielleicht motivierender, den Broccoli zu essen, wenn das angeblich die Blutwerte so sagen. Gehört aber in den Bereich des Hokuspokus. Das Prinzip funktioniert natürlich, wie immer: mehr Eiweiß, weniger künstliche Kohlenhydrate
  • South Beach Diät: die ersten zwei Wochen kompletter Verzicht auf Kohlenhydrate (kommt uns doch bekannt vor😉)
  • AtkinsDiät: keine Kohlenhydrate, oder zumindest weniger als 20g pro Tag. Dasselbe Prinzip, aber für mich eine rühmliche Ausnahme. Denn Robert Atkins hat das Prinzip tatsächlich als einer der ersten beschrieben schon in den 70er Jahren - und genutzt. Er wurde Zeit seines Lebens schwer kritisiert. Man bedenke, noch vor 20 Jahren hat niemand von low-carb gesprochen. Das war undenkbar und Atkins starb als geächteter, verpönter Wissenschaftler, der eigentlich als einer der ersten die Biochemie des (Insulin- und Leber-)Stoffwechsels richtig erkannt und praktisch umgesetzt hat. Ihm kam nie die gebührende Anerkennung zu Teil. Als er 2003 durch einen Unfall auf eisglatter Straße starb, hat noch keiner von NASH (nicht alkoholischer Fettleber: non-alcoholic steatosis hepatis) oder von Insulinresistenz aufgrund von kohlenhydratinduzierter NASH gesprochen.
  • U.v.m.
Das war nur eine winzige Auswahl. Es gibt hunderte weitere. Jedesmal wird dem Kind ein neuer Name gegeben. Immer gleich: weniger Kohlenhydrate, mehr Eiweiß, mehr Gemüse. Hunderte Seiten Geschwafel für eine einzige biochemische Weisheit, eine einzige kurze und prägnante Tatsache.
Vielleicht aber auch gut so. Gäbe es nicht tausende solcher Bücher wäre es vielleicht heute noch so, dass wer „weniger Kohlenhydrate, mehr Eiweiß“ empfehlen würde, wahrscheinlich genauso wie Atkins in der 80er und 90er Jahren als „Ketzer“ dahingestellt würde. Heißt, wenigstens wird wieder und wieder was Richtiges, was biochemisch Korrektes, beschrieben.
Das hat sich aber nun auch tatsächlich genug herumgesprochen und daher gibt es nun einen neuen Trend, leider viel, viel schlimmer: man behaupte einfach das genaue Gegenteil von dem was viele denken, was die Wissenschaft sagt oder die anderen Schreiben und schon hat man wieder Aufmerksamkeit und die Bücher/Zeitschriften werden gekauft. Leider wieder nur reine Profitgier:
  • Die Vitaminlüge: typisches Beispiel für Proftgier. Vitamine sind lebensnotwendige Bausteine des Körpers. Punkt. Ganz einfach. Ist biochemisch und naturgegeben so. Liest aber keiner, ist ja bekannt. Also einfach mal das genaue Gegenteil behaupten und schon verkauft man wieder viele Bücher
  • Die lowcarb Lüge: weiß gar nicht ob´s das schon als Buch gibt, aber zumindest einige Zeitungs und Zeitschriftenartikel; wenn nicht, das Buch kommt bestimmt;
  • EiweißInfarkt: da werden wieder Tatsachen verdreht; der Titel sagt eigentlich alles: könnte auch die EiweißLüge heißen. Alles was die Biochemie/Wissenschaft über Eiweiß sagt, ist doch „eigentlich ganz falsch und alles ganz anders“.
  • Fett Lüge: wenn das Wort Lüge im Titel ist, scheint es sich gut zu verkaufen. Ein neuer Trend. Aber vielleicht sagt der Titel ja einfach alles über solche Bücher aus?
  • U.v.m.
Wenn man wirklich und ernsthaft mehr wissen will, warum nicht einfach korrekte Lehrbücher kaufen. Grundlagen der Biochemie und der Physiologie. Da hat man echtes WISSEN auf korrekter und wissenschaftlicher Grundlage. Und kann dann neue Trends selbst beurteilen ob richtig oder Hokuspokus. Wer mehr über Ernährung lernen will, dem würde ich echte Lehrbücher empfehlen, wie z.B.
  • „Handbuch Vitamine“ von Klaus Pietrzik (Professor der Uni Bonn)
  • „Ernährungsmedizin und Diätetik“ von Heinrich Kasper (Professor der Uni Würzburg)
  • „Taschenatlas Biochemie des Menschen“ von Jan Koolman
  • „Taschenatlas Physiologie“ von Stefan Silbernagl
  • Nur eine kleine Auswahl aus meinem Regal, aber es gibt noch viele, viele andere sehr gute Bücher
Da stehen wissenschaftliche Grundlagen drin. Kein Hokuspokus. Oder einfach die News lesen: ich schreib ja auch nur aus diesen und anderen Bücher und wissenschaftlichen Studien ab und suche das relevante und wichtige für euch heraus.
Zusammenfassung:
  • Es gibt keine Geheimnisse! Es gibt kein Hokuspokus! Nur echte Wissenschaft!
  • Man braucht keine hunderte von Büchern, hunderte von Angeboten über SuperKuren, Diät-Wundertüten. Die einzige verpackte funktionierende Wissenschaft darin ist: weniger Kohlenhydrate (insbesondere kurzkettige (künstliche), Mehl (auch hier ein ganzes Buch darüber:„Die Weizenwampe“), Zucker, Fruktose), mehr Eiweiß (gute Proteinquellen) und mehr Gemüse. Dazu viel, viel und nochmal viel Wasser!!! (am besten ein gutes Heilwasser – da sind gute Mineralien und Salz schon drin). Und die essentiellen Nährstoffe (Vitamine&Co) nicht vergessen!
  • Warum funktionieren viele dieser „Diäten“: die kürzeste Weisheit zum Abnehmen ist: wer weniger Kalorien pro Tag aufnimmt, als er verbraucht nimmt ab! Das ist mit magerem Fleisch und Gemüse fast immer ein sicherer Weg, denn es ist schwer, damit mehr als 2000kcal am Tag zu essen (das wären 1 Kilogramm Fleisch und 2 Kilogramm Gemüse).
  • Auch ähnlich ist der Grund warum die MonoDiäten jede Woche in bunten Zeitschriften veröffentlicht werden: die Karotten-Diät, die Tomaten-Diät, die Apfel-Diät, usw. von einer Sache kann man gar nicht soviel essen, dass man mehr als 2000kcal am Tag schafft. Das würde wahrscheinlich sogar mit Schokolade gehen: den ganzen Tag nur und ausschließlich Schokolade? Da hätte man ziemlich schnell einen Überdruss und könnte es nicht mehr sehen (obwohl, ich probier´s lieber nicht, ich glaube da wäre ich eine Ausnahme 😉)
  • Arnold Schwarzenegger: „Es gibt keine Wunder, nur Training“ und ein bisschen modifiziert: „Es gibt keine Wunder, nur Wissenschaft