Nervenregeneration

Polyneuropathie, Kribbeln/Brennen/Schmerzen in den Händen und Füssen und andere Nervenerkrankungen lassen sich oftmals verbessern oder verhindern. Nerven brauchen Nährstoffe, können nachwachsen und sich regenerieren.
Autor: Dr. Volker Zitzmann
Lesezeit: 9 Minuten
Unsere Nerven, nicht nur die Gehirnzellen, sondern auch die peripheren Nerven, reagieren sehr empfindlich auf biochemische Veränderungen. Ein bekanntes Beispiel: die diabetische Polyneuropathie. Entsteht durch zu hohen Blutzucker. Die Zuckermoleküle verkleben sozusagen die Nervenzellen. Biochemisch korrekt: es kommt zu einer Nervenschädigung durch AGE (advanced glycation end products). (18) Die Nerven werden dabei durch freie Radikale (oxidativer Stress) geschädigt.  Auch können verschiedene Giftstoffe die Nerven schädigen (Chemotherapeutika, Alkohol, Blei, etc.). Beim Alkohol ist ein großer Faktor von Nervenschäden vor allem die mit dem Alkoholismus verbundene Mangelernährung (1).
Es gibt viele verschiedene Ursachen von Nervenschäden. Aber zum Glück können sich unsere Nervenzellen auch regenerieren. Schäden können rückgängig gemacht werden. Sogar die Nervenzellen im Gehirn. Früher dachte man, Gehirnzellen könnten sich nicht regenerieren. Heutzutage wissen wir, dass auch die Nerven im zentralen Nervensystem teilweise zur Regeneration fähig sind. Was müssen wir also tun, damit die Nerven sich wieder erneuern und selbst reparieren?
Nerven brauchen, wie alle anderen Zellen auch, bestimmte Stoffe um zu funktionieren und um sich regenerieren zu können. Die Bausubstanzen. Ohne Bausubstanz, kein Neubau. Dazu gehören die wichtigen essentiellen Nährstoffe des Menschen. Natürlich die Aminosäuren, Wasser, die Elektrolyte und alle anderen Mikronährstoffe. Die Vitamine. Die bekanntesten „Nervenvitamine“ sind die B Vitamine:
Vitamin B1: Thiamin. Der normale Tagesverbrauch wird mit ca. 1 mg pro Tag angegeben. Bei der Behandlung von Neuropathien (= Nervenkrankheiten) werden 100 - 300 mg Benfotiamin (z. B. milgamma®) pro Tag verabreicht. Benfotiamin ist die Vorstufe von Thiamin und wird besser resorbiert. Studien: Thiamin und Benfotiamin zeigen in dieser Studie (2) antidepressive Effekte und eine verbesserte Lernfähigkeit. Und in dieser Studie wird über das Benfotiamin ein möglicher positiver Effekt gegen M. Alzheimer beschrieben (3). Eine weitere Studie zeigt, dass Benfotiamin möglicherweise die diabetische Retinopathie, heißt die Erblindung als Folge eines langanhaltenden Diabetes, verhindern oder das Fortschreiten zumindest verlangsamen kann. Persönliche Anmerkung: Wieso wird in Deutschland eigentlich nicht jedem Diabetiker Benfotiamin verschrieben? Die Studienlage ist rein positiv und selbst wenn hunderte von Studien angeblich noch nicht eindeutig genug sind, zumindest gibt es keinerlei schädliche Effekte vom Benfotiamin. Diese Anti-Vitamin Kampagnen der deutschen Medizin-/Pharmaindustrie gibt einem manchmal schon zu denken.
Vitamin B12+Folsäure: Beides bekannte Vitamine, wo es durch einen Mangel zu Nervenschäden kommen kann (17). Bekannt beim Vitamin B12 ist die funikuläre Myelose (4). Dabei kommt es zu einer Degeneration des Rückenmarkes und dadurch zu Missempfindungen in den Beinen (und Armen), später auch Schwäche und Gangstörungen. Wenn bei dieser Erkrankung frühzeitig Vitamin B12 hochdosiert gegeben wird, kann es zu einer vollständigen Rückbildung der Symptome kommen. Mal wieder ein Beispiel für eine schwere Krankheit, die durch ein Vitamin geheilt werden kann. Vitamin B12 wird therapeutisch in einer Dosierung von 1000 µg pro Tag eingesetzt. Wenn der Blutspiegel trotzdem nicht ansteigt, kann auch per intramuskulärer Injektion von Vitamin B12 der Blutspiegel angehoben werden. (Ein gesunder Blutspiegel von Vitamin B12 ist übrigens nicht der schlechte deutsche Durchschnitt der bei den Normwerten der Labore meist mit angegeben wird, ca. 197 - 771 ng/l, sondern mindestens über 1000, besser in Richtung 2000 ng/l. Heißt: deutscher Durchschnitt, welcher bei den angegebenen Normwerten zugrunde liegt, ist nicht immer automatisch der optimale Wert).
Alpha-Liponsäure:  Ein Mikronährstoff. Die Gabe davon ist ein anerkanntes Therapieverfahren bei diabetischer Polyneuropathie (15, 16). Eine Doppel-Blind-Studie konnte positive Effekte beim Carpaltunnelsyndrom nachweisen (19). In dieser Studie konnte ein signifikanter positiver Effekt auf das Carpaltunnelsyndrom nach Gabe von Alpha-Liponsäure 600mg/Tag und Gamma-Linolensäure 360 mg/Tag gezeigt werden (20). Auch gegen neuropathische Schmerzen in und nach der Schwangerschaft wie Ischialgie oder Carpaltunnelsyndrom scheint laut diesem Artikel (5) die Alpha-Liponsäure positive Effekte zu haben. Die Alpha-Liponsäure kommt natürlicherweise in der Nahrung vor, wird aber therapeutisch in höheren Dosierungen eingesetzt. Hierbei kommen Dosierungen von 100 - 600 mg pro Tag vor. In der Medizin gibt es auch Infusionslösungen zur Behandlung der diabetischen Polyneuropathie.
Omega-3-Fettsäuren, Phosphatidylserin (= Neuro-PS): schützen Nervenzellen vor Schäden (6).
In dieser Veröffentlichung (7) konnte gezeigt werden, dass möglicherweise die Nährstoffsupplementation mit alpha-Liponsäure, Acetyl-L-Carnitine, Glycerophosphocoline, Docosahexaensäure (DHA = Omega 3-FS) und Phosphatidylserin den altersbedingten oxidativen Stress und der kognitive Verfall vermindert werden kann.
Zusammengefasst:
  • Für Nervenschäden können Giftstoffe (Zucker, Alkohol, Chemotherapie) verantwortlich sein
  • Häufig sind Nährstoffmängel für Nervenerkrankungen verantwortlich
  • Supplementation mit bestimmtem Mikronährstoffen kann Nervenschäden aufhalten oder rückgängig machen
  • Zu diesen Mikronährstoffen gehören im speziellen: Vitamin B1 (Thiamin, Benfotiamin), B2, B3, B6, B9(= Folsäure), B12, AlphaLiponsäure, Phosphatidylserin, Omega-3-Fettsäuren (DHA, EPA) und all die anderen Nährstoffe die Nervenzellen (genau wie alle anderen Zellen) zum Leben benötigen (Vitamin A, E, C, D, Kupfer, Zink und natürlich die essentiellen Aminosäuren, sowie alle anderen essentiellen Nährstoffe).
  • Ach ja, und nicht zu vergessen die Bewegung. Das ist sogar die mächtigste Form des Nervenzellschutzes. Studien konnten zeigen, dass, wer körperlich Aktiv ist, ein um 60 % geringeres Risiko für die Entwicklung eines Morbus Parkinson hat (8). Ähnliche Ergebnisse gibt es für den Morbus Alzheimer.  So gut ist kein Medikament. So gute Medizin kann man nur aktiv selbst machen!!!
BOUNCE-KURSE: Es gibt sogar eine Studie über Mini-Trampolin: dieses verbessert Beschwerden bei diabetischer Polyneuropathie. (9)
Weitere Hinweise über mögliche positive Effekte zur Nervenregeneration:
  • Neuere Studien geben Hinweise, dass eine ketogene Diät die Nervenregeneration verbessern könnte (10). Schon vor einem Jahrhundert wurde die ketogene Diät bei neurologischen Erkrankungen (z.B. Epilepsie) mit sehr positiven Erfolgen eingesetzt (11). Scheint, dass unsere Nerven Zucker so gar nicht mögen.
  • Chrom scheint ebenfalls die Nervenregeneration zu verbessern (12). Wie wir schon wissen,
    verbessert Chrom die Insulinsensitivität
    . Vielleicht ein ähnlicher Effekt für die Nerven wie bei der ketogenen Diät (null ZuckerDiät)?
  • Vitamin E Mangel verhindert die Nervenregeneration (13). Heißt, einen Mangel sollte man unbedingt vermeiden.
  • Der Mikronährstoff UMP (= UridinMonophosphat) scheint auch die Nervenregeneration zu fördern (14).
Nervenzellen wollen gut umsorgt werden, so wie alle anderen lebenden Zellen auch. Dann funktionieren sie auch lange gut. Sie wollen geschützt werden (keine schädlichen Substanzen wie Zucker, Schwermetalle, Zellgifte, etc.), sie wollen Nahrung (o. g. Mikronährstoffe für die Nerven, Bausubstanz = Aminosäuren, im Grunde alle 50 essentiellen Substanzen die zum Leben notwendig sind), sie wollen Bewegung (Durchblutung, Sauerstoff, Nährstofftransport) und eine sinnvolle Aufgabe (Koordinationsübungen aktivieren besonders viele Nervenzellen; "use it or lose it"). Im Grunde nur das, was jedes andere Lebewesen auch braucht um gesund zu sein und sich wohl zu fühlen.
Quellen: