Vitamin B12
Vitamin B12, auch Cobalamin genannt, gehört zu den Vitaminen mit häufigen Mängeln in der Bevölkerung, insbesondere bei Veganern, Vegetariern und älteren Menschen.
Autor: Dr. Volker Zitzmann
Lesezeit: 10 Minuten
Sicherlich vielen schon bestens bekannt. Wir reden ja auch viel darüber. Aber da gibt es sicherlich hier und da noch ein paar Neuigkeiten, die einen eigenen Artikel wert sind.
Vitamin B12, auch Cobalamin genannt, gehört zu den Vitaminen mit häufigen Mängeln in der Bevölkerung, insbesondere bei Veganern, Vegetariern und älteren Menschen. Warum gerade bei den Veganern? Vitamin B12 ist ausschließlich in tierischen Produkten enthalten. Pflanzliche Nahrungsmittel enthalten leider so gut wie kein B12. Warum bei älteren Menschen? B12 ist in der Nahrung nur in sehr geringen Mengen vorhanden. Selbst in Fleisch nur im Bereich von 1µg (Mikrogramm). Das ist das tausendstel eines Milligramms. Ein Milligramm ist das tausendstel eines Gramms. Also in 100g Fleisch sind nur das millionstel eines Grammes an B12 enthalten. Da es in der Natur nur in so minimalen Mengen vorkommt, hat sich unser Körper im Laufe der Evolution da was ausgedacht und den sogenannten „Instrinsic Faktor“ gebildet. Das ist ein Transportprotein, welches im Magen des Menschen produziert wird und das B12 abfängt, damit die geringen Mengen in der Nahrung nicht auch noch verloren gehen. Der Intrinsic Faktor ist also sozusagen das Taxi, welches das Wertvolle Vitamin B12 aufsammelt, mitnimmt und durch die Darmwand schleust. Leider lässt im Laufe des Alterns die Fähigkeit des Magens nach, den Intrinsic Faktor zu bilden, so dass das Vitamin B12 nicht mehr gut aufgenommen werden kann und dann verloren geht. Ältere Menschen haben daher häufig einen B12 Mangel.
B12 ist entscheidend bei der Bildung der roten Blutkörperchen. Ein Mangel an B12 macht daher Blutarmut (Anämie). Wenig rote Blutkörperchen, wenig Sauerstofftransporter, schlechte Versorgung des Körpers mit dem lebenswichtigen Sauerstoff.
B12 ist des weiteren ein wichtiger Faktor bei der Bildung von Nervenzellen. Schon bevor es zu Veränderungen im Blutbild kommt, können bei einem B12-Mangel Nervenschäden auftreten. Eine klassische Erkrankung bei Vitamin B12 Mangel ist die Funikuläre Myelose. Dabei kommt es zu einer Schädigung des Rückenmarkes. Insbesondere der Hinterstrangbahnen (=Funiculus posterior). In diesem laufen die Nerven, welche für die Sensibilität (Berührung, Vibrationsempfinden) und die Propriozeption (Lage- und Bewegungssinn) verlaufen. Eine Schädigung kann daher Gefühlsstörungen verursachen, meist beginnend in den am meisten körperfern gelegenen Stellen, z.B. Füsse. Der Arzt kann das Vibrationsempfinden ganz einfach anhand einer Stimmgabel (Vibration) auf den z.B. Großzeh aufgelegt oder mittels eines Wattestäbchens (Berührungsempfinden) über den Zeh gestreichelt testen. Die Propriozeption (Lageempfinden) kann der Arzt einfach dadurch testen, ob der Patient es spürt, ohne hinzusehen, ob der Arzt z.B. den Großzeh nach oben oder nach unten bewegt. Heißt man kann schon durch einfache klinische Tests einen Hinweis darauf bekommen, ob möglicherweise ein ausgeprägter Vitamin B12 Mangel vorliegt.
Auch die Nerven im Gehirn brauchen Vitamin B12. Daher können auch geistige Einschränkungen und Krankheiten durch einen Vitamin B12 Mangel verursacht werden: neurologische und psychiatrische Krankheitsbilder.
Kribbeln der Hände und Füße, Kältegefühl, Müdigkeit, Erschöpfung, Schwächegefühl, Psychosen, Depression, Demenz
Den Vitamin B12 Spiegel kann man im Blut messen.
Der Referenzbereich (Normwerte) liegen je nach Labor bei ca. 156-700 pmol/l
Schon im unteren Referenzbereich 156-400 pmol/l kann aber ein Vitamin B12 Mangel vorliegen. Heißt Laborwert zeigt „normal“ an, trotzdem liegt ein B12 Mangel vor. Daher kann man zur genaueren Diagnostik noch im Blut das Holotranscobalamin (erniedrigt bei B12 Mangel ) und die Methylmalonsäure (erhöht bei B12 Mangel) messen.
!!! Bitte bei den Laborwerten auch darauf achten WAS gemessen wurde: Cobalamin oder Holotranscobalamin !!!Bei den Laborwerten auch dringend zwischen pmol/l und ng/l unterscheiden. Da gibt es online auch Laborwerterechner die die verschiedenen Einheiten umrechnen, z.B.:
http://unitslab.com/de/node/141
Ein Beispiel eines Laborwertes von einem Patienten:
Der Wert hier im Labor von 470 ng/l wäre also nur 346 pmol/l. Also im UNTEREN REFERENZBEREICH. Auch wenn uns das Labor nun anzeigt, super, im grünen Bereich, kann durchaus schon ein funktioneller Vitamin B12 Mangel vorliegen.
Man kann nun tun und machen, testen, neurologische Untersuchungen durchführen lassen, spezielle Laborwerte nachtesten (Holo-TC, MMA). Oder man sieht zu, dass man mit dem B12 im Blut auf einem sehr guten Wert ist. Man bedenke, der Referenzbereich ist der schlechte deutsche Durchschnitt. Was B12 angeht, sind die meisten schlecht versorgt. Siehe Beispiel oben.
Hier mal ein Beispiel wie es auch sein kann, ohne irgendwelche Zweifel, ob der Wert zu niedrig wäre:
Das ist Manuels letztes Laborergebnis, von mir untersucht. Ok, der Fairnesshalber hier auch mein Laborwert:
Haben wir beide noch einen Zweifel, ob vielleicht ein Mangel vorliegt? Sicher nicht.
Ein großes Problem unseres Körpers ist das Homocystein. Das macht Thromboseneigung, Gefäßverkalkungen, vermehrt Herz- und Schlaganfälle. Warum also wollen wir einen so hohen Vitamin B12 Spiegel? Ganz einfach, je höher das B12, desto niedriger das Homocystein:
(aus: Front. Neurol., 09 January 2019 |
https://doi.org/10.3389/fneur.2018.01162
)Wie wir aus der Grafik sehen können, je höher der Vitamin B12 Spiegel, desto niedriger das Homocystein. Man sieht, dass die Regressionsgerade immer weiter sinkt, je höher das Vitamin B12 ist, bis zu einem Wert von 2000 (danach wahrscheinlich, wenn man die Linie extrapolieren würde, sogar noch weiter). Deswegen denke ich, dass die Natur eher gerne einen Wert in Richtung 2000 hätte. Auch wenn die Labore als Durchschnitt (Durchschnitt heißt nicht Optimum) 197-771 ng/l angeben.
Ein erhöhtes Homocystein im Blut ist ein Risikofaktor für neurologische, psychiatrische und Gefäß-Erkrankungen. Zur Prophylaxe von Schlaganfällen und neuropsychiatrischen Erkrankungen wird eine Supplementation mit Vitamin B12 empfohlen, insbesondere bei Personen mit geringer Einnahme und bei niedrigen Blutspiegeln. Auch den Homocystein Spiegel, kann man ja mal im Blut messen lassen. Ist er zu hoch, ist entweder das B12 oder die Folsäure oder beides zu niedrig.
Der normale Tagesbedarf vom B12 liegt ca. bei 1µg pro Tag. Das reicht aber nur, wenn ausreichend „intrinsic factor“ vorhanden ist. Wenn der fehlt oder vermindert ist, kann das B12 aber auch passiv, also ohne das „Taxi“ über die Darmwand diffundieren. Dafür braucht man dann aber die 1000 fache Dosis. Somit wird bei B12 Mangel häufig ein Präparat verschrieben, welches 1000 µg Vitamin B12 pro Kapsel enthält. Damit können nun auch ältere oder Menschen z.B. mit chronischer Gastritis, denen der Intrinsic Factor fehlt, ausreichend Vitamin B12 ins Blut bekommen.
Deshalb wird beim B12 häufig die 1000-fache Dosis des normalen Tagesbedarfes empfohlen. Trotzdem, auch hier gilt: MESSEN! Ist der Wert zu niedrig, dann den Vitaminspeicher des Körpers auffüllen und nach 3 Monaten nachmessen. Dann WEIß man, ob man genug B12 zu sich genommen hat. Messen und WISSEN ist unsere Empfehlung. Nicht Raten. Wenn wir nur Raten, dann sind wir genau da, wo die Tagespresse mit Ihren „hin und her´s“ der Vitamine und ihren fachlich eingeschränkten und schlecht recherchierten Artikeln täglich ist.
Häufig höre ich von „frisch gebackenen“ Veganern, sie hätten ja keine Probleme und ihr B12 wäre ja im Normbereich. Stimmt. Die ersten 1-3 Jahre. Der B12 Speicher im Körper ist sehr groß und hält ca. 3-4 Jahre (selten auch bis zu 5-10 Jahren), bevor er leer ist. Daher bekommen viele Veganer erst nach mehreren Jahren (3-4 Jahre oder länger) Veganismus gesundheitliche Probleme. Wenn Nerven/Gehirn aber erstmal geschädigt sind, erholt man sich davon nur sehr schlecht und sehr langsam. Daher sollte man von Anfang an ein Auge auf seinen B12-Spiegel werfen.
Auch negatives über B12?
Typisch für die Medien ist es natürlich, sich bei dem Thema wieder mal auf eine Studie zu stützen, die für das Vitamin B12 ein gering erhöhtes Lungenkrebsrisiko gezeigt hat. Leider wird dabei wieder nur ein Endergebnis groß herausgebracht, ohne die genauen Zahlen zu nennen: in der VITAL Studie (4) wurden 77.116 Menschen zwischen 50 und 76 Jahren beobachtet und deren Vitamin B12 Einnahme mit dem Auftreten von Lungenkrebs verglichen. Hier zeigte sich, dass von den 36.600 Männern insgesamt 449 (1,22%) einen Lungenkrebs hatten. Von diesen 36.600 Menschen haben 13.933 keinerlei Vitamine eingenommen, 17.384 hatten Multivitamine eingenommen und 5.088 hatten ein reines B12 eingenommen. Von denen, die nichts eingenommen hatten, haben 179 (1,28%) einen Lungenkrebs bekommen, von denen die Multivitamine eingenommen haben, haben 194 (1,11%) einen Lungenkrebs bekommen, von denen die B12 eingenommen haben, haben 73 (1,43%) einen Lungenkrebs bekommen. Endergebnis: bei den Männern, die B12 eingenommen haben, erhöhte sich das Lungenkrebsrisiko von normal 1,22% auf 1,43%, also um 0,2%. Rein rechnerisch hätten die Männer, die B12 eingenommen haben, ja nur die normalen 1,22% Risiko haben sollen, also 62 Menschen. Tatsächlich haben aber 73 Menschen von 5088 Lungenkrebs bekommen. Also rein rechnerisch 11 Fälle zuviel Lungenkrebse von insgesamt 36.600 Menschen. Dass es sich dabei um ein normalen statistischen Fehler handeln kann ist wohl jedem klar. Das relative Risiko (RR) wurde mit 1,31 genannt. Heißt, 1,31-fach erhöhtes Risiko eines Lungenkrebses unter B12 Einnahme. Das wird dann in den Medien so wiedergegeben. Wichtig aber in Klammern hinter dem RR Wert ist das sogenannte statistische Konfidenzintervall, also die statistische Fehlerwahrscheinlichkeit. Die war bei den 1,31 nämlich von 0,99 bis 1,72. Das steht in den Studien immer in Klammern hinter dem Wert, also: 1,31 (0,99-1,72). Heißt es könnte auch der Wert 0,99, also sogar etwas verringertes Lungenkrebsrisiko durch B12 Einnahme, als auch das 1,72-fach erhöhte Risiko oder irgendwas dazwischen sein. Insgesamt also das Ergebnis der Studie: Lungenkrebsrisiko also fraglich gering durch B12 Einnahme erhöht. Von 1,22 auf 1,43 also 0,2% mehr.
Besonders interessant ist, dass das Risiko für Lungenkrebs unter der Einnahme von Multivitaminen auf RR 0,91 verringert war. Also weniger als das 1-fache, nur das 0,91-fache Risiko. Gleiche Studie, gleiche Tabelle (siehe 5). Wieso wird das in den Medien nicht erwähnt??? Geringeres Lungenkrebsrisiko durch Multivitamine??? Völlig unverständlich. Wie gesagt, gleiche Studie, gleiche Daten, gleiche Tabelle. Das eine wird groß in den Medien breitgetreten, das andere komplett verschwiegen.
Wichtig auch zu sagen: dieses fraglich gering erhöhte Risiko von Lungenkrebs galt nur für Männer. Bei den Frauen war null erhöhtes Risiko unter Vitamin B12 Einnahme (RR=1,00). Wer sich also sorgen macht, um fragliche 0,2% erhöhtes Risiko, männlich und Raucher ist, der kann ja durchaus mit zu hohen Dosen B12 alleine, ohne Multivitamin, vorsichtig sein. Eigentlich wie so oft, einzelne Vitamine helfen selten großartig. Es sind alle 50 Substanzen zusammen, die man braucht für mehr Gesundheit.
Zusammenfassung:- ●Vitamin B12 ist essentiell. Muss man ESSEN! Kann der Körper nicht selbst herstellen und ist dabei auf die Zufuhr von außen angewiesen
- ●B12 Mangel macht Nervenkrankheiten, Blutbildveränderungen/Blutarmut, Demenz und ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall
- ●Ältere Menschen und langjährige Veganer/Vegatarier haben häufig einen Mangel
- ●Aber auch alle anderen können einen Mangel haben: daher im Blut MESSEN und NICHT RATEN
- ●Die fraglichen Risiken von zuviel B12 sind noch nicht geklärt und Gegenstand der Forschung. Sicher ist aber: ein Mangel ist ein deutlich höheres Risiko zu sterben (Schlaganfall) oder schwer zu erkranken. Daher Mangel unbedingt vermeiden!!!
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Quellen:
- ●Am J Clin Nutr.2003 Jul;78(1):131-6.Vitamin B-12 status, particularly holotranscobalamin II and methylmalonic acid concentrations, and hyperhomocysteinemia in vegetarians.Herrmann W,Schorr H,Obeid R,Geisel J.
- ●https://www.aerzteblatt.de/archiv/61696/Ursachen-und-fruehzeitige-Diagnostik-von-Vitamin-B12-Mangel
- ●Fortschr Neurol Psychiatr.2007 Sep;75(9):515-27. [Review of the role of hyperhomocysteinemia and B-vitamin deficiency in neurological and psychiatric disorders--current evidence and preliminary recommendations].[Article in German][Herrmann W](https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=Herrmann%20W%5BAuthor%5D&cauthor=true&cauthoruid=17729191),uid=17729191).Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsklinikum des Saarlandes, Kirrberger Strasse, Gebaude 57, 66421 Homburg. [email protected]Lorenzl S, [Obeid R](https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=Obeid%20R%5BAuthor%5D&cauthor=true&cauthor
- ●J Clin Oncol. 2017 Oct 20; 35(30): 3440–3448. Published online 2017 Aug 22. doi:10.1200/JCO.2017.72.7735PMCID: PMC5648175PMID:28829668Long-Term, Supplemental, One-Carbon Metabolism–Related Vitamin B Use in Relation to Lung Cancer Risk in the Vitamins and Lifestyle (VITAL) CohortTheodore M. Brasky,Emily White, andChi-Ling Chen
- ●https://www.ncbi.nlm.nih.gov/core/lw/2.0/html/tileshop\_pmc/tileshop\_pmc\_inline.html?title=Clickon image to zoom&p=PMC3&id=5648175_JCO.2017.72.7735t2.jpg