Von Schulmedizin und Fallschirmen

In der Schulmedizin gilt nur, was in prospektiv, randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien nachgewiesen wurde. Alles andere gilt als nicht anerkannt. Leider werden viele Dinge aber gar nicht erst untersucht. Ein Unding, für jeden logisch denkenden Menschen.
Autor: Dr. Volker Zitzmann
Lesezeit: 9 Minuten
Viele ärztliche Kollegen meinen immer noch, es gäbe ja keine Beweise für die Wirksamkeit von Vitaminen. Und daher wären sie nicht nötig. Ist auch häufig das, was die Medien so von sich geben.  Und was sogar viele medizinische Fachgesellschaften, Universitäten, Professoren und medizinische Zeitschriften dann einfach als angebliches „Wissen“ übernehmen und weitergeben. Wenn man etwas oft genug gehört hat, glaubt man es. Anscheinend können die aber nicht lesen. Oder haben keine Zeit dafür. Oder am ehesten kein Interesse. Steht aber alles geschrieben. In vielen Studien die wir immer zitieren. Nun ist es so, dass in der Medizin heutzutage leider nur das gültig ist, was in einer prospektiven, randomisierten Doppelblindstudie nachgewiesen wurde. Heißt, die Vitamineinnahme muss vorher geplant werden, ein bestimmtes Ergebnis muss erwartet werden, die Teilnehmer müssen, ohne es zu wissen, entweder das echte Vitaminpräparat oder ein Placebo bekommen und die Untersucher, die die Vergabe der Medikamente und die Untersuchung auf die Wirkung am Patienten machen, dürfen nicht wissen, welcher Patient das echte oder das Scheinpräparat bekommen hat. Nach einer gewissen Zeit muss sich dann zeigen, dass die positive Wirkung in der Vitamingruppe statistisch signifikant (also eindeutig) höher im Vergleich zum Scheinpräparat ist. Diese Art der Untersuchung gilt in der Medizin(„-maschinerie“ wenn ich das verrückte System mal so benennen darf) heutzutage als Goldstandard. Heißt, nur was so untersucht wurde, wird als gesichertes Wissen anerkannt. Und nur was so nachgewiesen wurde gilt als wirksam. Wenn es nicht so nachgewiesen wurde, gilt es als nicht wirksam. „Wirksamkeit nicht nachgewiesen“ wird dann auch häufig gleich als unwirksam deklariert (Achtung: Logikfehler) und dann auch gleich als sinnlos oder gar schädlich (entbehrt jeder wissenschaftlichen Erkenntnis).  Dass Vitamine wirksam sind, weiß man zwar aus der Biochemie, aus der Wissenschaft und aus ganz vielen Beobachtungen. Zum Beispiel, dass nachdem in den USA die Nahrungsmittel mit Folsäure angereichert wurden (1998), es in den Folgejahren zu einer starken Reduktion der Schlaganfälle führte. Eigentlich wäre das eine RIESENGROSSE Studie an 200 Millionen Menschen. Ist aber keine wie oben erwähnte randomisierte Doppelblindstudie. Also in der Medizin nicht anerkannt. Nicht anerkannt, heißt, es wird behauptet keine Wirkung, also nicht zu empfehlen. Die Medizin sagt also, Folsäure bringt nichts. Zwar an 200 Mill. Menschen nachgewiesen. Aber offiziell: nicht wirksam. Und daraufhin: keine Empfehlung.
Ist aber letztendlich das gleiche, als wenn man sagen würde Fallschirme sind nicht wirksam. Es gibt keine groß angelegte Studie, die die Wirksamkeit von Fallschirmen beweist. Wäre also in der Schulmedizin als nicht wirksam deklariert. Keiner hat 100 Menschen vom Flugzeug springen lassen, 50 mit einem echten Fallschirm und 50 mit einem unechten Schein-Fallschirm und hat dann verglichen, ob der echte Fallschirm besser das Leben rettet als der Schein-Fallschirm. Somit wäre in der Schulmedizin die Aussage: es ist nicht nachgewiesen, dass Fallschirme das Leben retten. Daher sind Fallschirme bei Sprung aus dem Flugzeug: nicht zu empfehlen. Genauso argumentieren viele mit den Vitaminstudien. Es gäbe keine Beweise für die Wirksamkeit von Vitaminen.
Also ich für meinen Teil würde lieber mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug springen und ich für meinen Teil nehme auch lieber Vitamine ein.
Und jetzt kann sich jeder selber überlegen, was er von der Aussage „nicht wirksam“, weil keine Studien das beweisen, hält.
So die Sachlage. Und damit auch der kritische (ärztliche Kollege und alle anderen) Leser und Zweifler eines Besseren belehrt werden kann, hier nun eine kleine Auswahl (wirklich nur ganz klein, da gibt es noch viel, viel mehr ) an prospektiven (und teils randomisierten, placebokontrollierten, Doppelblind-) Studien über die positive Wirksamkeit von Vitaminpräparaten/NEM. Denn solche Studien gibt es. Reichlich. Werden aber in der Schulmedizin verleugnet. Viel Spaß beim Lesen:
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Besonders schön die Studie, weil: PROSPEKTIV, RANDOMISIERT, PLACEBOKONTROLLIERT, DOPPELBLIND
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  • Zum Schluss noch was sehr Interessantes: eine groß angelegte Studie die die deutlich positiven Wirkungen von Coenzym Q10 bei Herzinsuffizienz zeigt. Eindeutig. Die Studie ist von 1993. 24 Jahre Später: welcher Patient mit Herzinsuffizienz bekommt Coenzym Q10 vom Arzt???? Traurig aber wahr. Selbst wenn es, wie für Coenzym Q10 wie oben auch schon beschrieben nach medizinischen Kriterien bewiesen ist, dass es wirkt, wird es nicht in der Medizin eingesetzt. Für mich nicht mehr nachzuvollziehen.